Sonntag, 31. Juli 2011

2010er Riesling Spätlese trocken in der Blindverkostung

Der Jahrgang 2010 wurde seinerzeit von mehr oder weniger berufenen Auguren bereits vor der Traubenlese ähnlich einer Griechenlandanleihe abgeschrieben. Zwischenzeitlich gab es dann auch mal einen Meinungsschwenk wie in der Energiepolitik unser allseits geliebten Bundeskanzlerin (Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern...), und aktuell kann man sich anhand der in dieser Kampagne teilweise sehr spät und leider nur in geringer Menge auf den Markt kommenden Weine (das hat seine Gründe) selbst ein Bild machen.

Diesem Zweck diente eine als Blindverkostung durchgeführte Probe von fünf trockenen Riesling-Spätlesen von Nahe, Pfalz und Mosel, allesamt von Winzerbetrieben, die noch nicht Objekt des allgemeinen Hypes sind, aber doch nach Einschätzung des Verkosters hervorragende Weine produzieren. Hier nun das Protokoll dieser aufschlußreichen Verkostung. Das Bild zeigte sich übrigens bei einer offenen Nachverkostung an den folgenden Tagen stabil.

1. Jakob Schneider: 2010er Niederhäuser Hermannshöhle Riesling trocken Magnus
Helles Gelb mit grünlichen Reflexen; Zitrusfrüchte, intensive mineralische Würze, etwas Johannisbeere in der Nase. Im Mund frisch, säurebetont, aber zugleich sehr stoffig, elegante, keineswegs übertriebene Extraktsüße, vielschichtiger, körperbetonter Wein mit gut ausbalancierter Säure.
AP Nr. 7 750 052 26 11 13% Alc.
Bewertung: 18/20 Punkte
Preis: 14 Euro
Bezug: Weingut Jakob Schneider

2. Jakob Schneider: 2010er Norheimer Dellchen Riesling trocken
Unauffällige Farbe, in der Nase dominiert Johannisbeere, feinduftig, relative schlanke, aber straffe Art; es fehlt etwas Körper, um die Fruchsäure ganz auszutarieren, feine Mineralität, Brillianz, rassig-stahlig.
AP Nr. 7 750 052 25 11  13% Alc.
Bewertung: 17,5/20 Punkte
Preis: 12 Euro
Bezug: Weingut Jakob Schneider

3. Steffens-Keß: 2010er Burger Wendelstück Riesling Spätlese trocken
Deutlich heller Farbe, schlanke Nase, weißer Pfirsich, geschmeidig-elegant, noch sehr verschlossen, dezente Aromatik, dabei saftige und süffige Art; wirkt etwas einfacher gestrickt, es fehlt ein  mineralischer Nachhall wie bei den Weinen 1 und 2.
AP Nr. 2 598 230 06 11   12,5% Alc.
Bewertung: 16,5/20 Punkte
Preis: 9,90 Euro
Bezug: Weingut Steffens-Keß

4. Hahnmühle: 2010er Riesling Spätlese trocken "Alisencia"
Unauffällige Farbe, in der Nase intensiv Zitrus und rote Johannisbeere, am Gaumen viel Würze, erdig-mineralische Noten, wirkt leider etwas dumpf und derb.
AP Nr.    11,8% Alc.
Bewertung: noch 16/20 Punkte
Bezug: Weingut Hahnmühle

5. Theo Minges: 2010er Buntsandstein Riesling Spätlese trocken
Lichtes Grüngelb, dominant Zitrusfrüchte; der Wein wirkt bereits in der Nase spitz. Extrem aggressive, grüne Säure, die trotz einer gewissen Pufferung alles erschlägt. Unangenehmes Gefühl im Mund- und Rachenraum angesichts der martialischen Säureattacken. Selbst für Säurefreaks nur mit Überwindung trinkbar. Ein Wein für die Schorle -Schade!
AP Nr. 5 025 066 34 11  12,5% Alc.
Bewertung: 12/20 Punkte
Preis: 11 Euro
Bezug: Weingut Theo Minges




Fazit dieser Verkostung: Riesling Weine auch aus renommierten Weingütern können durchaus das dem Jahrgang 2010 apostrophierte Säureproblem aufweisen. Mir ist in diesem Zusammenhang weder klar, wie der Buntsandstein die amtliche Qualitätsweinprüfung überstehen konnte, noch was den Winzer geritten hat, diesen Wein als einen seiner trockenen Spitzenweine in den Verkauf zu nehmen. Auf der anderen Seite erhalten zum Beispiel die Weine vom Weingut Jakob Schneider durch die gut integrierte Säure eine Frische und Langlebigkeit, die sie zu bemerkenswerten Exemplaren dieses Jahrgangs macht. Zwar hat der Magnus aus der Hermannshöhle durchaus die vom Weingut selbst zugesprochene Qualität eines 1. Gewächses und leicht die Nase vorn; Insgesamt fällt aber das Dellchen kaum ab und Liebhaber schlankerer, geschmeidigerer Gewächse haben wahrscheinlich eine Präferenz für diesen Wein. Etwas enttäuschend die Alisencia-Spätlese aus dem Weingut Hahnmühle, deren Jahrgangsvorgänger Preisträger beim Riesling Cup 2010 des Feinschmecker war. Ich glaube allerdings nicht daran, dass ein solcher Wein sich in zwei, drei Jahren öffnet und stark verbessert.

Die Jahrgangsprobe 2010 wird demnächst an dieser Stelle mit restsüßen Riesling-Spät- und Auslesen fortgesetzt.

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