Samstag, 23. Juli 2011

Fritz Keller went Aldi

Dass Aldi einer der größten bundesdeutschen Weindistributeure ist, dürfte einem breiten Publikum bekannt sein - nicht zuletzt aus eigenem Einkaufserleben, denn Aldi hat angeblich einen Anteil von rund einem Viertel an dem in Deutschland verkauften Wein.

Seit geraumer Zeit befindet sich Aldi (vor allem Aldi-Süd) beim Wein in einer Qualitätsoffensive. Selbstverständlich dominieren die Gewächse zu 1,99 oder 2,59 Euro nach wie vor die Regale, doch versucht das Aldi-Management mit verschiedenen Methoden, an Image und  Durchschnittspreis je verkaufter Flasche zu feilen. Ein Weg sind die wöchentlichen Aktionen, bei denen insbesondere vor Weihnachten und Ostern, wenn man sich bei Tisch etwas gönnt, auch schon einmal Weine weit jenseits der üblichen Preisschwelle von 4,99 Euro angeboten werden. Mit Grand Crus aus dem Bordeaux, bei denen für den erfahrenen Weintrinker Grand Cru-Status und Jahrgang häufig zweifelhaft sind, Barolos weitgehend unbekannter Erzeuger oder Gran Reservas aus dem krisenbedingt noch weiter anschwellenden Wein-See Spaniens verlässt Aldi das angestammte Terrain der uniformierten Massenweine und bietet seinen Kunden den Eintritt in neue Genusswelten. Auch wenn die "normalen" Aldi-Weinkäufer diese Weine nicht kennen, bietet doch die hohe emotionale Aufladung z.B. des Begriffs "Grand Cru" Anreize für den Konsum. Ähnliches gilt für die Werbung mit "Parker-Punkten". Man hat zumindest davon gehört, dass das etwas Gutes sein soll, und das subjektive Belohungssystem empfiehlt dem Konsumenten den Kauf einer solchen Flasche Weins statt der üblichen Alltagsqualität.

Nach meiner anekdotischen Evidenz ist dieser Weg jeoch nicht immer von Erfolg gekrönt, denn manchmal warten die Grand Crus auch noch Wochen nach einer solchen Aktion in einer Resteecke auf ihre Käufer. Liegt es vielleicht daran, dass der Wein doch anders und unverständlicher schmeckt als das, was man sonst trinkt? Greift man beim nächsten Mal wieder in die gewohnte Stelle im Regal?

Vielversprechender, weil nachhaltiger scheint ein anderer Ansatz zu sein, der sich in der "Edition Fritz Keller" manifestiert. Der Winzer Fritz Keller dürfte zwar dem durchschnittlichen Aldi-Weinkäufer nicht bekannt sein und daher für ihn nur eine geringe emotionale Aufladung haben, dafür ist der angebotene Wein aber auch nicht ganz so weit weg von dem, was man sonst konsumiert. Man gewöhnt sich vielleicht an eine etwas höhere Qualität, hat bei diesem Wein ein besseres Gefühl und verhilft Aldi zu einem merklich höheren Durchschnittserlös je Flasche.

Warum Fritz Keller bei diesem Spiel mitspielt, bleibt Objekt der Spekulation. Er hätte ja mit seinem eigenen Weingut und Weinhandel eigentlich genug zu tun. Die Aldi-Werbung schreibt dazu: "Mit der Realisierung dieser Wein-Edtion möchte Fritz Keller vielen Menschen hochwertige und handwerklich gemachte Weine vorstellen." Dass auch in der Weinwirtschaft das Gutmenschentum Einzug gehalten hat, vermag ich nicht zu glauben, ebenso wie die Tatsachenbehauptung, dass diese Weine handwerklich gemacht wurden, wie auch immer man "handwerklich" definiert. Noch skurriler ist der link zum Bauhaus und dem Etikettenmotiv von Paul Klee, den das Rückenetikett herstellt. Doch genug von dieser Schmähkritik - lassen wir die Weine sprechen.

Es wurden an diesem Wochenende zwei Weine aus der Aldi-Süd Aktion vom 18.07.11 und der Grauburgunder aus dem Sortiment verkostet. Kurioserweise entsprach aber (zumindest in dem von mir frequentieten Aldi-Markt) der als Aktionsware annoncierte 2008er Pinot Noir dem entsprechenden Sortimentswein. Nicht durchringen konnte ich mich dazu, den feinherben Riesling aus der Steillage von Raimund Prüm zu 4,99 und die mit VDP-Siegel(!) versehene Silvaner-Weißburgunder Cuvee von Schloss Sommerhausen zu verkosten. Hier gibt es ja sicher auf VDP-Ebene, wie seinerzeit bei den Weinen von Hans Lang aus dem Rheingau, ohnehin noch ein Nachspiel.

2010er Riesling Edition Fritz Keller
Lichtes Gold, etwas CO2, intensive Nase (Gelbfrüchte, dominant Pfirsich, etwas Zitrus). Animierende Frucht, sehr frisch, stahlig, schlanker Körper, der die (jahrgangsbedingt) kräftige Säure nur wenig abfedert, sehr reintönig und sortentypisch, gute Basisqualität, eine positive Überraschung
APNr. 3862 02 11
Bewertung: 16,5/20 Punkte
Preis: 5,99 Euro

2009er Grauburgunder Edition Fritz Keller
Hochwertiger Naturkork, strahlendes Gelb mit goldenen Reflexen, Nase eher dezent, primär Birne und vegetabile Noten. Im Mund eher eindimensional, Grauburgundertypizität gut schmeckbar, es fehlt aber an Schmelz und aromatischer Komplexität und Spiel. Wirkt etwas plump.
Bewertung: 15,0/20 Punkte
Preis: 5,99 Euro

2008er Spätburgunder Edition Fritz Keller
Sehr helles Rubingranat, Dufte nach roten Früchten, Bitternoten.  Am Gaumen feinfruchtig mit spürbarer Säure, schöne Balance zwischen Frucht und gerbigen Bitterstoffen, etwas abrundende Restsüße, insgesamt jedoch etwas schmalbrüstig. Ein sauberer, "kleiner" Spätburgunder, der auf kitschige Fruchtdroparomen verzichtet.
Bewertung: 15,5/20 Punkte
Preis: 5,99 Euro


Insgesamt zeigten die Weine eine durchaus solide Qualität, wobei der Riesling positiv überraschen konnte. Muss man deshalb bei Aldi Wein kaufen? - Wer um die sechs Euro je Flasche ausgeben will, kann bei einer großen Zahl von Winzergenossenschaften und Privatwinzern in Deutschland Wein von mindestens genau so hoher Qualität erstehen: doch diese Hürde düfte für viele der Aldi-Weinkäufer wohl zu hoch sein.

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